HinSchG – UPDATE vom Juni.2023:
Bundestag und Bundesrat haben sich am 9. Mai 2023 im Vermittlungsausschuss auf Änderungen am Hinweisgeberschutzgesetz geeinigt. Am 11. Mai 2023 verabschiedete der Bundestag das Gesetz, am 12. Mai 2023 stimmte auch der Bundesrat zu. Seit dem 2. Juni 2023 ist das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Mit einer Frist von einem Monat (ab 02.07.2023) müssen Unternehmen (ab 250 Mitarbeitenden) ein Hinweisgebersystem eingerichtet haben. Für Unternehmen von 50 bis 249 Mitarbeitenden gilt dies ab dem 17.12.2023.
Insbesondere folgende Themen wurden vom Vermittlungsausschuss vorgeschlagen und implementiert:
- Eine Möglichkeit der Abgabe von anonymer Meldungen ist nicht mehr verpflichtend anzubieten. Anonym eingehende Meldungen sollen aber trotzdem bearbeiten werden.
- Meldung sind bevorzugt an eine interne Meldestelle vorzunehmen, wenn intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind.
- Informationen über Verstöße fallen nur noch in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der der Whistleblower beruflich im Kontakt stand, beziehen, d.h. Beschränkung auf den beruflichen Kontext.
- Die maximale Höhe, der für Verstöße gegen das Hinweisgeberschutzgesetz angedrohten Bußgelder wurde von 100.000 auf 50.000 Euro gesenkt. Darüber hinaus wird die Bußgeldandrohung erst sechs Monate nach Veröffentlichung des Hinweisgeberschutzgesetzes in Kraft treten.
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Der Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), wurde im Dezember 2022 zwar vom Bundestag verabschiedet, jedoch im Bundesrat von den Ländern abgelehnt.
Im November 2019 ist die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern (EU-Richtline 2019/1937) inkraftgetreten. Sie dient dem Schutz der Whistelblower vor Repressalien, Diskriminierung oder Kündigung. Der Entwurf zum HinSchG war die Umsetzung der EU-Richtlinie ins deutsche Rechht. Deutschland ist dazu verpflichtet diese Richtlinie umzusetzen. Die erste Frist zur Umsetzung ist bereits im Dezember 2021 verstrichen. Daher ist in dieser Sache bereits eine Klage der EU-Kommission vor dem europäischen Gerichtshof anhängig.
Kommt das HinSchG, oder kommt es nicht?
Das Gesetz wird jetzt im Vermittlungsausschuss überarbeitet. In diesem Zusammenhang wird wahrscheinlich mit den Unionsparteien darüber verhandelt werden, die das Gesetz bereits zum zweiten Mal gestoppt und sogar Regierungskoalition dafür aufgelöst hat.
Fest steht: Deutschland ist verpflichtet, diese EU-Richtlinie umzusetzen.
In folgender Übsersicht stellen wir wichtige Punkte der EU-Richtlinie und des HinSchG gegenüber und stellen mögliche Spielräume dar:
Anonyme Meldungen
EU-Richtlinie: (34) Unbeschadet der nach dem Unionsrecht bestehenden Verpflichtungen, anonyme Meldungen zu ermöglichen, sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors und zuständige Behörden verpflichtet sind, anonyme Meldungen von Verstößen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, entgegenzunehmen und Folgemaßnahmen zu ergreifen. Jedoch sollten Personen, die anonym Meldung erstattet haben oder die anonym Offenlegungen vorgenommen haben, welche in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, und die deren Voraussetzungen erfüllen, nach Maßgabe dieser Richtlinie Schutz genießen, wenn sie anschließend identifiziert werden und Repressalien ausgesetzt sind.
HinSchG: 7. Keine Pflicht zur Vorhaltung technischer Mittel oder Verfahren für anonyme Meldungen
Weder interne noch externe Meldestellen sind verpflichtet, technische Mittel oder Verfahren für anonyme Meldungen vorzuhalten. Denn damit einhergehen würden erhebliche zusätzliche Kosten für die notwendigen technischen Vorrichtungen. Gleichwohl eingehende anonyme Hinweise sollten dennoch bearbeitet werden, soweit dies neben der Bearbeitung nichtanonymer Hinweise kapazitätsmäßig möglich ist. Im Übrigen fallen anonyme Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber unter die Schutzbestimmungen dieses Gesetzes, wenn ihre zunächst verdeckte Identität bekannt wird.
- Die Entscheidung über eine Verpflichtung, anonyme Meldungen anzubieten, bleibt den EU-Mitgliedstaaten überlassen.
- Im deutschen Entwurf besteht aktuell keine Verpflichtung, eine anonyme Meldung anzubieten.
Unternehmen können selbst entscheiden, ob sie eine anonyme Meldung ermöglichen.
Interne Meldestellen
EU-Richtlinie: (48) Bei juristischen Personen des Privatrechts sollte die Verpflichtung zur Einrichtung interner Meldekanäle in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Größe und dem Ausmaß des Risikos ihrer Tätigkeiten für das öffentliche Interesse stehen. Alle Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmern, die Mehrwertsteuer erheben müssen, sollten unabhängig von der Art ihrer Tätigkeiten interne Meldekanäle einrichten müssen. Die Mitgliedstaaten können nach einer geeigneten Risikobewertung auch anderen Unternehmen vorschreiben, in bestimmten Fällen interne Meldekanäle einzurichten, etwa aufgrund erheblicher Risiken, die sich aus ihrer Tätigkeit ergeben.
HinSchG: (12) Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen
Beschäftigungsgeber haben dafür zu sorgen, dass bei ihnen mindestens eine
Stelle für interne Meldungen eingerichtet ist und betrieben wird, an die sich Beschäftigte
wenden können (interne Meldestelle). Ist der Bund oder ein Land Beschäftigungsgeber,
bestimmen die obersten Bundes- oder Landesbehörden Organisationseinheiten in Form
von einzelnen oder mehreren Behörden, Verwaltungsstellen, Betrieben oder Gerichten. Die
Pflicht nach Satz 1 gilt sodann für die Einrichtung und den Betrieb der internen Meldestelle
bei den jeweiligen Organisationseinheiten.
Möglicher Spielraum:
Die EU schreibt die Einrichtung einer interner Meldekanäle für Unternehmen ab 50 Mitarbeitern vor.
Im deutschen HinSchG wurde diese Zahl ebenfalls normiert.Allerdings gab es eine Erweiterung im Entwurf für konkrete Unternehmensarten (unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten). Nach Paragraph 12 (3) sind das u.a.
- Wertpapierdienstleistungsunternehmen
- Wertpapierinstitutsgesetzes
- Börsenträger
- Kapitalverwaltungsgesellschaften
Vertaulichkeit
EU-Richtlinie: (76) Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die zuständigen Behörden angemessene Schutzverfahren für die Bearbeitung von Meldungen und den Schutz der personenbezogenen Daten der in der Meldung genannten Personen eingerichtet haben. Diese Verfahren sollten gewährleisten, dass die Identität aller Hinweisgeber, betroffenen Personen und in der Meldung genannten Dritten, z. B. Zeugen oder Kollegen, in allen Verfahrensstufen geschützt ist.
HinSchG: (8) Vertraulichkeitsgebot
Die Meldestellen haben die Vertraulichkeit der Identität der folgenden Personen zu
wahren:
1. der hinweisgebenden Person, sofern die gemeldeten Informationen Verstöße betref-
fen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende
Person zum Zeitpunkt der Meldung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass
dies der Fall sei,
2. der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, und
3. der sonstigen in der Meldung genannten Personen.
Möglicher Spielraum:
Beide Gesetze sehen vor, dass die Identität von Hinweisgebern zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens geschützt ist.
Dokumentation
EU-Richtlinie: (86) Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass alle Meldungen von Verstößen in angemessener Weise dokumentiert werden, jede Meldung abrufbar ist und Informationen aus Meldungen bei Durchsetzungsmaßnahmen gegebenenfalls als Beweismittel verwendbar sind.
HinSchG: (11) Dokumentation der Meldungen
Die Personen, die in einer Meldestelle für die Entgegennahme von Meldungen zuständig sind, dokumentieren alle eingehenden Meldungen in dauerhaft abrufbarer Weise unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebots (§ 8).
Möglicher Spielraum:
Beide Gesetze sehen eine Dokumentationspflicht vor.
Repressalien
EU-Richtlinie: Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um jede Form von Repressalien gegen die in Artikel 4 genannten Personen, einschließlich der Androhung von Repressalien und des Versuchs von Repressalien, zu untersagen; dies schließt insbesondere folgende Repressalien ein:
a) Suspendierung, Kündigung oder vergleichbare Maßnahmen;
b) Herabstufung oder Versagung einer Beförderung;
c) Aufgabenverlagerung, Änderung des Arbeitsortes, Gehaltsminderung, Änderung der Arbeitszeit;
d) Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen;
e) negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses;
f) Disziplinarmaßnahme, Rüge oder sonstige Sanktion einschließlich finanzieller Sanktionen;
g) Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung;
h) Diskriminierung, benachteiligende oder ungleiche Behandlung;
i) Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen;
j) Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags;
k) Schädigung (einschließlich Rufschädigung), insbesondere in den sozialen Medien, oder Herbeiführung finanzieller Verluste (einschließlich Auftrags- oder Einnahmeverluste);
l) Erfassung des Hinweisgebers auf einer „schwarzen Liste“ auf Basis einer informellen oder formellen sektor- oder branchenspezifischen Vereinbarung mit der Folge, dass der Hinweisgeber sektor- oder branchenweit keine Beschäftigung mehr findet;
m) vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen;
n) Entzug einer Lizenz oder einer Genehmigung;
o) psychiatrische oder ärztliche Überweisungen.
HinSchG: (3.6) Repressalien sind Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der
beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung sind und
durch die der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder ent-
stehen kann
Möglicher Spielraum:
In diesem Fall ist im deutschen Entwurf keine so konkrete Aufzählung von Repressalien wie in der EU-Richtlinie. Die einzelne Entscheidung ist Auslegungssache. Für konkrete Entscheidungen ist ggf. ein Rückgriff auf das EU-Recht notwendig.
Sanktionen
EU-Richtlinie: Sanktionen
(1) Die Mitgliedstaaten legen wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für natürliche oder juristische Personen fest, die
a) Meldungen behindern oder zu behindern versuchen;
b) Repressalien gegen die in Artikel 4 genannten Personen ergreifen;
c) mutwillige Gerichtsverfahren gegen die in Artikel 4 genannten Personen anstrengen;
d) gegen die Pflicht gemäß Artikel 16 verstoßen, die Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgebern zu wahren.
(2) Die Mitgliedstaaten legen wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für Hinweisgeber fest, denen nachgewiesen wird, dass sie wissentlich falsche Informationen gemeldet oder offengelegt haben. Die Mitgliedstaaten sehen auch Maßnahmen entsprechend dem nationalem Recht zur Wiedergutmachung von Schäden vor, die durch diese Meldungen oder Offenlegungen entstanden sind.
HinSchG: 6. Sanktionen (§ 40)
Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Dies gilt für das Verhindern von Meldungen, das Ergreifen von Repressalien sowie für Verstöße gegen den Schutz der Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen.
Die Offenlegung wissentlich falscher Informationen durch hinweisgebende Personen wird ebenfalls mit einer Geldbuße belegt, um betroffenen Unternehmen und Behörden durch eine solche Offenlegung drohenden Nachteilen wie insbesondere Reputationsschäden angemessen entgegenzuwirken.
und
HinSchG: § 40
Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer wissentlich entgegen § 32 Absatz 2 eine unrichtige Information offenlegt.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer
1. entgegen § 7 Absatz 2 eine Meldung oder dort genannte Kommunikation behindert,
2. entgegen § 12 Absatz 1 Satz 1 nicht dafür sorgt, dass eine interne Meldestelle eingerichtet ist und betrieben wird, oder
3. entgegen § 36 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit § 34, eine Repressalie ergreift.
(3) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 8 Absatz 1 Satz 1 die Vertraulichkeit nicht wahrt.
(4) Ordnungswidrig handelt, wer eine in Absatz 3 bezeichnete Handlung fahrlässig begeht.
Möglicher Spielraum:
Im Vergleich zur EU-Richtlinie wird der deutsche Entwurf in diesem Fall deutlich konkreter. Nach dem Entwurf besteht wenig Spielraum.bei Verstößen gegen das Gesetz.
Zusammenfassung
Die Forderungen an die EU-Mitgliedsstaaten wurden in den deutschen Enwtwurf übernommen. Im deutschen Entwurf sind die Repressalien allgemeiner formuliert. Dafür werden die Sanktionen wesentlicher genauer und als explizit als Bußgelder definiert. Der Entwurf hat zusätzlich die Möglichkeit genutzt, konkrete Ausnahmen bei der Verpflichtung zur Einrichtung einer internen Meldestelle (bzgl der Mitarbeiteranzahl) festzulegen.
Neben diesen Konkretisierungen bleibt der deutsche Entwurf nah an den EU-Vorgaben.Viel Spielraum im Vermittlungsausschuss besteht also nicht.
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