Eine wichtige Rolle spielen im Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) niedrigschwellige Meldeverfahren die den Hinweisgeber nicht daran Hindern eine Meldung abzugeben. Dabei ist es dem Gesetzgeber wichtig, dass
- der Hinweisgeber darauf vertrauen kann, dass
- die Meldung möglichst wenigen und vertrauenswürdige Personen erreicht
- er keine Repressalien zu befürchten hat,
- die Meldung bereits bei einem Verdacht abgegeben werden darf,
- die Meldung beantwortet wird
- und dass dem Hinweisgeber die ergriffenen Maßnahmen kommuniziert werden.
Die Meldehürde wird nach unserer Erfahrung außerdem noch durch folgende Aspekte bestimmt, auf die wir näher eingehen möchten:
- Verfügbare Meldekanäle
- Barrierefreiheit
- Mehrsprachigkeit
- Usability
Verfügbare Meldekanäle
(3) Interne Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung
innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen.Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung (HinSchG), §16 (3)
Mögliche Meldekanäle aus unserer Sicht:
- per Telefon,
- per Brief,
- persönliches Treffen oder
- Online-Portal.
Idealerweise stehen dem Hinweisgeber alle Meldekanäle zur Verfügung. Obgleich diese nicht in diesem Detail vorgeschrieben werden, erwarten wir, dass sich das Fehlen von Meldekanälen negativ auf die „Exkulpationswirkung“ einer vorhandenen internen Meldestelle auswirkt. Diese ist dann relevant, wenn es zu etwaigen Gerichtsverfahren hinsichtlich melderelevanter Sachverhalte kommt. Nachfolgend eine Übersicht möglicher Kombinationen von Meldekanälen, ihrer Zulässigkeit, sowie ihrer Vor- und Nachteile:
Kombination Meldekanäle | Unsere Einschätzung | Grund |
Interne Telefonnummer und interne E-Mail-Adresse | nicht zulässig | interner Zugriff kann nicht verhindert werden (z.B. IT-Administration) . |
nur Anrufbeantworter | nicht zulässig | Eingangsbestätigung an Hinweisgeber nicht möglich. |
Ombudsmann mit externer Telefonnummer | teuer und ineffektiv | Sicherstellung permanente Erreichbarkeit, Sprachbarrieren und hohe Kosten. |
Persönliche/physische Zusammenkunft | teuer und ineffektiv | Sprachbarrieren möglich, Reisekosten, fehlendes Vertrauen für ein erstes direktes Treffen (face-to-face). |
Online-Portal | bedingt empfohlen | Anforderungen des Gesetzes zum Teil erfüllt, da einige Beschäftigte ggf. keinen Online-Zugang haben. |
Online-Portal + externe Telefonnummer + externe E-Mail Adresse + externe Post Adresse |
empfohlen | Vollumfängliche Erfüllung der Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie (z.B. durch whistle-blower.net vollständig umgesetzt). |
Barriefreiheit
Eine barrierefreie Website/ ein Portal ist ein Angebot, das ohne zusätzliche Installationen oder (technische) Einschränkungen für jeden zugänglich ist. Entgegen der weit verbreiteten Annahme bezieht sich dies also nicht nur auf Menschen mit physischen und/oder psychischen Beeinträchtigungen, sondern generell auf jede:n Benutzer.
Zu Barrieren zählen sowohl technische Einschränkungen als auch körperliche, geistige sowie seelische Einschränkungen, die in §3 des Deutschen Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) Berücksichtigung finden.
Besipiele für Einschränkungen sind:
- Technische Einschränkungen (Inhalte einer Website sind nicht für Hilfsmittel geeignet)
- Einschränkungen des Sehens
- Einschränkungen des Hörens
Um diese Barrieren zu erkennen und abzubauen, empfehlen wir folfgendes:
- Skalierbarkeit: Geben Sie Maßeinheiten für Schriften, Bereiche und Abstände usw. relativ an (z.B. in%-Angaben). Da manche Nutzer die Funktion der Browser zur Vergrößerung von Schriften etc. nutzen, sollte selbst bei einer 200 % Vergrößerung der Inhalt noch gut lesbar und erkennbar sein.
- Responsivität: Das Portal sollte auf allen Endgeräten gut lesbar sein.
- Einhalten einer aussagekräftigen Struktur: z.B. Nutzen Sie die Überschriften (Grße und Format h1-h6) korrekt ein. Es darf nur eine Hauptüberschrift (h1) existieren, auf die 1-n h2 Überschriften folgen.
- Abkürzungen: Vermeidung von Abkürzungen
- Aussagekräftige Metadaten: z.B. Nutzung von Tags
- Textalternativen/Bildbeschreibungen (Alternativtexte): alt-Attribute sollten für Bilder und Formulare immer ausgefüllt sein, da Vorleseanwendungen diese für die Sprachausgabe des Inhaltes benötigen. Das title-Attribut ist ebenso wichtig, gerade für Links.
Mehrsprachigkeit
Bei der Mehrsprachigkeit geht es darum, das z.B. eine nur türlisch sprechende Reinigungskraft auch Hinweis abgeben kann. Dafür unterscheiden wir in
- statische Übersetzungen und
- simultan Übersetzungen.
Statische Übersetzungen basieren auf den immer gleichen Text. Diese kommen z.B. bei Formularen oder Checklisten zum Einsatz. Hierbei müssen einmal die Bestandteile eines Formular übersetzt und hinterlegt werden. Die Sprache wird dann entweder manuell oder automatisch mit der im Brower hinterlegten Sparche gewählt.
Bei den eigentlichen Inhalten (variable Texte) kann man die Übersetzung nicht im Vorfeld hinterlegen. Hierzu muss vielmehr eine Live-Übersetzung z.B. per Schnittselle zu einem Übersetzungsprgramm gebaut werden.
Beispiel: Eine türkisch sprachige Beschäftigte schreibt ein Text auf türkisch der Live (z.B. beim Öffnen einer Nachricht) automatisch in eine zu wählende Sprache (z.B. slowakisch) übersetzt wird. Der Bearbeiter antwort auf in seiner Sparche (slowaksich) in unserem Portal. Die Beschäftigte erhält die automatisch rückübersetzte Antwort auf türkisch.
Usability – Erfahrungen aus unserer Praxistätigkeit
Wir persönlich haben bereits zahlreiche IT-Systeme auf Basis von gesetzlichen Anforderungen im eigenen Unternehmen implementiert und die dazugehörigen Prozesse etabliert. Dabei bringt die Einführung in der Praxis verschiedene Herausforderungen und Probleme mit sich, die berücksichtigt werden sollten. Einige der häufigsten Probleme aus der Praxis sind:
- Zu viele & komplizierte Prozesse: Es ist wichtig, dass der Meldeprozess klar, verständlich und einfach ist. Die Belastung der involvierten Mitarbeiter muss so gering wie möglich gehalten werden, z.B. durch den Einsatz von einfachen Technologien und effizienten Prozessen (Keine vom Berater/ Prüfer/ Anwalt „am Reißbrett“ skizzierten Prozesse).
- Fehlende Technische Möglichkeiten: Es ist wichtig, dass eine technische Lösung von überall einfach erreichbar ist. Dabei müssen auch die Barrierefreiheit und die Sprachbarriere technisch gelöst werden. Wir verwenden hierfür zum Beispiel ein Multi-Lingualen Übersetzter, der den Textverkehr zwischen den Parteien übersetzt.
- Widerstand gegen Veränderungen: Die Einführung von niedrigschwelligen Meldeverfahren kann auf Widerstand von Mitarbeitern oder Führungskräften stoßen, die sich unsicher oder beunruhigt fühlen, dass das Meldeverfahren ihre Arbeit oder das Ansehen des Unternehmens beeinträchtigen könnte. Es ist daher wichtig, dass das Management ein klares Verständnis der Vorteile von Meldeverfahren hat und eine offene Kommunikation und Schulung durchführt, um mögliche Bedenken der Mitarbeiter zu klären.
- Fehlendes Review: Es ist wichtig, dass Unternehmen oder Organisationen sicherstellen, dass nach Ablauf einer „Probezeit“ die Prozesse überprüft und ggf. überarbeitet werden. Ziel ist, das die Prozesse effektiv funktionieren und dass potenzielle Probleme oder Schwachstellen erkannt und behoben werden können.
Insgesamt erfordert die Einführung von niedrigschwelligen Meldeverfahren eine sorgfältige Planung und Umsetzung, um potenzielle Probleme und Herausforderungen zu minimieren. Durch eine klare und offene Kommunikation, angemessene Ressourcen, die Gewährleistung von Vertraulichkeit und Anonymität sowie eine regelmäßige Überwachung und Bewertung kann das Meldeverfahren erfolgreich eingeführt werden.
Wenn Sie Fragen hierzu haben, sprechen Sie uns an.